Vier Wände und ein Dach stellen gewöhnlich ein „Haus“ dar.

Nun kann ich dieses Haus, Haus nennen, Wohnraum, Atelier, Heim, Schule, Turnhalle oder eben auch Praxis. Je nachdem nenne ich mich dann dazu, Hausfrau, Mutter, Lehrerin oder Therapeutin oder anders.  Ähnlich wie eine Kleidung, stülpe ich damit diesen Wänden und mir als Person eine gewisse Identifikation über, mit welcher ich wahrgenommen werden kann oder möchte. Das Ganze Gebilde weckt dann in meinem Gegenüber unterschiedliche Bedürfnisse oder Vorstellungen zu dem, was oder wer ich sei und was ich könne oder tue.

Nun nenne ich mich also Feldenkrais Therapeutin und arbeite in meiner Praxis, dies wiederum macht aus meinen Besuchern plötzlich Klienten oder Patienten. Gerade in der Feldenkrais Methode tun sich viele schwer mit diesen Begriffen und nennen das Ganze dann Feldenkrais-„Lehrer“ und entsprechend „Schüler“. Was wiederum ganz unterschiedliche Gefühle hervorbringen kann.

Ich bleibe jedoch einmal bei meinem Begriff Feldenkrais Therapeutin. Was oder wer bin ich nun?

Dieser Begriff Therapeutin könnte verstanden werden, als jemand, der etwas weiss, etwas kann, was ein anderer nicht weiss und nicht kann. Die Therapeutin würde dann eine Fähigkeit haben ein Leiden zu lindern oder im besten Fall „wegzumachen“ also zu heilen wie es einige wünschen. Dies bitte rasch möglichst.

Der „Patient“ wäre dann ein „Ratsuchender“, welcher weniger Wissen hat und das Therapeutenwissen benötigt.

Dies alles scheint mir jedoch eine riesengrosse und über eine unendlich lange Zeit gewachsene falsche Vorstellung zu sein – und vor allen Dingen ein grosser Irrtum.

Eine Feldenkrais Therapeutin mag allenfalls wissen, wie eine Bewegungslektion gut vermittelt werden kann. Sie kann von aussen die gegenüberliegende Person evtl. unterstützen etwas auszuprobieren oder an sich zu entdecken, was die Person selber gerade nicht sieht oder sich zutraut, so ähnlich wie ein blinder Fleck – also eine Therapeutin kann so etwas wie einen hilfreichen Spiegel darstellen.

Jedoch weiss eine Therapeutin sicherlich niemals mehr über den „Patienten“ als der „Patient“ selber wissen könnte. Die Heilung, die angestrebt wird, liegt im Menschen der vor mir liegt oder steht und nicht in meinem Wissen oder meiner Hand. Das Wissen, das Können um diese Linderung ist bereits vorhanden und benötigt allenfalls eine Begleitung.

Die Wahrheit ist, dass ich als Therapeutin bei jedem meiner Klienten nicht nur die Wissende, sondern ganz sicher immer ebenfalls eine Suchende bin. Und es ist ebenso eine Wahrheit, dass ich mit jedem meiner Klienten ebenfalls ein Stück selber lerne und erfahre, vieles nicht nur über diesen Klienten, sondern auch über mich.

Es ist sicherlich keinesfalls meine Aufgabe, mich in meiner persönlichen Geschichte zu verlieren oder mich selbst zu therapieren. Auch ist es von Bedeutung, dass ich während meiner Arbeit selber nicht in grössere Probleme verwickelt bin, sodass ich professionell und mit einem genügend guten Abstand einen Therapieverlauf objektiv begleiten kann.

Dieser Verlauf wird jedoch massgeblich durch den Klienten selber bestimmt.

Und genau diese Sichtweise ist es, die mich immer wieder auch die Gemeinsamkeiten der Feldenkrais Methode mit der Arbeit der Psychomotorik Aucouturier finden lässt.

Wenn ich mit der Frage konfrontiert bin, ob ich „ein Leiden“ lindern oder heilen kann, so halte ich mich gerne an den Gedanken von Marion Esser, meiner Ausbilderin der Psychomotorik nach Bernard Aucouturier:

Zu allem Schweren, das der Mensch erlebt hat und zukünftig in sich trägt, das ihn prägt, möglicherweise hemmt, fesselt, leitet…muss es auch immer ein Gegengewicht geben: gute Bilder, schöne Bilder, warme Bilder von Erlebnissen, die ihn ebenfalls bestimmen und prägen und nach denen er suchen kann, wenn die Zeit gekommen ist“ (Marion Esser, Bonn)

Ähnlich ist es in der Feldenkrais Methode mit einem schmerzgeplagten Menschen:

Neben all den schmerhaften Tagen, seien dies limitierende Rückenschmerzen, die Folgen eines Unfalles oder einer Krankheit, die den Alltag oft schwierig machen können….kann es durch achtsame Bewegungslektionen Momente oder sogar Stunden der Erleichterung geben, der Linderung. Diese Momente schaffen das Vertrauen, dass es sein kann, schmerzfreier zu leben, dass Veränderung möglich ist, wenn auch in kleinen Schritten. Es gilt auch hier ein Gegengewicht zu geben: Erlebnisse und Möglichkeiten, die in uns sind und uns ebenfalls bestimmen und prägen.

Moshe Feldenkrais nannte seine Methode passenderweise auch:

Das Entdecken der Fähigkeiten die in uns sind.

Darin sehe ich die echten Chancen einer Begleitung als Therapeutin:

Ich glaube an die Fähigkeiten meiner Klienten!

(ps: es ist hier ausschliesslich meine eigene therapeutische Sichtweise und Arbeit gemeint. Jegliche Ähnlichkeiten mit anderen lebenden und praktizierenden Therapeuten und tatsächlichen Orten  sind nicht beabsichtigt)