übe, übe, übe, übe!!! übe?
Kommt ein Kind zu mir mit Problemen zum Beispiel in der Feinmotorik hat es meistens bereits eine beachtliche Zeit der Frustration hinter sich. Es sind Kinder die oft mit viel gutem Willen, manchmal schon unter Tränen am Übungstisch sassen und vielleicht mit dem Stift in der Hand Schriftzeichen nachgefahren sind. Ich spreche in diesem Bericht nicht nur von Kindern mit einer medizinischen Beeinträchtigung, welche die Schwierigkeiten eindeutig erklären kann, sondern auch von gesunden Kindern, die jedoch bereits einfaches Malen mit einem Buntstift mittlerweile als Stress empfinden.
Viele dieser Kinder bedienen ihre Ipads geradezu virtuos – ob wir es also dabei belassen sollen in der heutigen Computerzeit?
Frank R. Wilson, Neurologe, schreibt in seinem Buch „Die Hand, Geniestreich der Evolution“:
Weder Homo faber noch Homo sapiens hätte es je gegeben, wenn die Evolution dem Menschen nicht die Hand gegeben hätte. Gehirn, Sprache und Kultur haben sich erst lange nach der menschlichen Hand ausgebildet. Ihre einzigartigen Fähigkeiten und das Zusammenspiel mit dem Gehirn machen den Homo sapiens zum intelligentesten Lebewesen. (ob und wie der Mensch diese Intelligenz nutzt möchte ich hier nicht besprechen J Anm. Y. Moser)
Gehen wir also davon aus, dass es für die Entwicklung des Kindes, des Denkens auch heutzutage noch Sinn macht, die Hand komplexer zu gebrauchen. Dann stehen wir vor dem Problem, dass auch in der heutigen Zeit Lernen noch stattfindet, als wäre das Wissen um das Lernen noch in der grauen Vorzeit. Lernen bedeutet für viele Kinder auch jetzt noch (und sogar wieder zunehmend) eine Leistungs- und Produktorientiertheit, die oft an den Bedürfnissen der Kinder vorbeigeht. Die Kinder werden nach Defekten beurteilt, Störungen und Defizite werden in den Vordergrund gesetzt.
Hierzu sagt jedoch Prof. Dr. Manfred Spitzer (Neurowissenschaftler und Leiter des Instituts für Gehirnforschung und Lernen):
„…..die Gehirnforschung zeigt nicht nur, dass wir zum Lernen geboren sind und gar nicht anders können als lebenslang zu lernen. Sie zeigt auch Bedingungen erfolgreichen Lernens in verschiedenen Lernphasen……Wir können es uns einfach nicht leisten, unsere wichtigste ökonomische Ressource – die Gehirne der Menschen zu behandeln, als wüssten wir nichts über deren Funktion. Es gilt, das heute bereits Machbare auch tatsächlich umzusetzen, um uns allen, den Jungen und Alten, besseres Lernen und damit ein besseres Leben zu ermöglichen.“
Wenn wir also davon ausgehen, dass unser Gehirn, also auch das Gehirn eines scheinbar lernmüden Kindes zum Lernen durch Erfahrung geboren ist, müsste es nicht unsere Aufgabe sein, dass Kind zum Üben von etwas zu überreden, sondern die Freude am natürlichen Lernen wieder zu aktivieren und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu schenken.
Selbstverständlich ist das spätere Üben und Trainieren ein Aspekt der nicht einfach vergessen sein soll – jedoch beschrieb Jean Ayres, Kindertherapeutin für sensorische Integration, eindrücklich:
„Man kann nicht üben, was man (noch) nicht kann“
Oder wie Manfred Spitzer erklärt:
„Angst und Lernen passen so zusammen wie Sauerkraut und Vanillesauce. In einer guten Lernatmosphäre lernen Kinder ohne Angst, was noch lange nicht heisst, dass sie immer Lust hätten zu lernen. Eine gute Lernatmosphäre hilft, die Unlust zu überwinden und wieder anzuknüpfen an das, was das Kind will“ (und wo es aktuell in seiner Entwicklung steht Anm. Y. Moser)