Ich liebe den Geruch von Kaffee. Ich weiss nicht genau warum, aber es hat diesen warmen, einladenden und freundlichen Duft für mich. Deshalb sitze ich übrigens auch gerne in Kaffees und lese dort eine Zeitschrift oder schaue mich einfach dabei ein wenig um. Übrigens, ich selber trinke kaum Kaffee, höchstens an sehr seltenen Gelegenheiten. So hole ich mir bei meinen Coffeeshop-Besuchen ab und zu eine kleine Dosis von Wohlgefühl.

Mein Gehirn überlegt bei diesem gemütlichen Genuss übrigens nicht:  Aha, hier riecht es nach 800 Duftstoffen, am aller aller allerliebsten habe ich davon das Dimethypyrazin und das Ethylfuran.  Nein, mein Gehirn sucht  nicht nach der Dufstofferkennung, sondern nach der Objekterkennung, hier also Kaffee (Wenn auch ein guter Kaffeetrinker selbstverständlich Unterschiede erkennen kann, zum Beispiel ob der Kaffee eher bitter, mild, stärker, schwächer usw.. schmeckt).

Darüber hinaus  ist da natürlich auch der emotionale Link. Ein Geruch kann Erinnerungen zurückbringen weil unser Geruchssystem mit dem Gefühlszentrum unseres Gehirnes verbunden ist (ganz einfach ausgedrückt).

In seinem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ schildert Marcel Proust, wie der Protagonist Swann von Erinnerungen übermannt wird, als er frische Madeleines  mit Tee riecht. Der Schriftsteller widmete diesem Gebäck in seinem Werk gleich mehrere Seiten.


Nun warum bringt mich dies gedanklich zu den Feldenkraislektionen?

In den Feldenkraislektionen leite ich ganz einfache Bewegungen an und stelle Fragen dazu. Viele dieser Bewegungen sind völlig banal. Zum Beispiel:  Heben Sie ihren rechten Arm in Richtung Zimmerdecke oder: Schauen Sie über die Schulter auf die rechte Seite. Ich leite  diese Bewegung auch nicht an, weil ich daran zweifle, dass mein Klient diese nicht machen könnte (dann würde ich sie übrigens nicht anleiten sondern etwas anderes).

In den Feldenkraislektionen möchte ich Bewegungen erforschen. Es geht nicht darum ob ich die Bewegung machen kann, sondern in welcher Qualität ich diese ausführe. Welche Teile meines Körpers machen an der Bewegung mit… kann ich diese Bewegung leichter ausführen, wenn die Rippen sich beteiligen. Vielleicht entdecke ich, dass mein Schulterblatt etwas mit meiner Armbewegung zu tun hat? (Falls Sie jetzt lachen müssen, tun sie das nicht, vielen Menschen ist dies vielleicht verstandsmässig völlig klar…. nur ist ihnen nicht bewusst, dass ihr Schulterblatt sich öfters von der Bewegung verabschiedet).

Oft stellt sich nach der Lektion ein Gefühl von Leichtigkeit ein. Klienten geben mir Rückmeldungen wie: Mir war gar nicht bewusst, dass sich hier die Rippen weniger öffnen auf der rechten Seite als links – jetzt geht das Drehen ja ganz leicht. Das fühlt sich toll an!

Laufe ich jetzt deswegen auf diese Art durch mein Leben, muss ich jetzt ständig über meine Bewegungen nachdenken?

Die Idee im Alltag ist es jetzt natürlich nicht so zu leben, als könnten wir die einzelnen Bestandteile einer Bewegung jederzeit kontrollieren und erkennen. In den Lektionen schulen wir lediglich unsere Wahrnehmung, unsere Achtsamkeit, lernen unser Tun besser kennen.

Im Alltagsleben, wenn ich nach dem Kugelschreiber vor mir greifen möchte kann ich mich jedoch nicht andauernd anleiten: Aktiviere Becken zum Aufrichten, hebe den Arm und öffne die Rippen auf der entsprechenden Seite. Sie finden diese Überlegung absurd?

Vielleicht haben Sie dann noch nie einen Hobby-Tennisspieler beobachtet (gilt bestimmt auch für andere Sportarten). Interessanterweise  versuchen viele dieser Sportler dies zu tun (mich übrigens manchmal eingeschlossen). Sobald der Spieler einen Ball falsch getroffen hat, weiss er sofort, welchen Teil der Technik er nicht beachtet hat. Entweder war die Ausholbewegung zu klein oder der Oberkörper war zu weit weg vom Schlag usw. Dies wird dann auch lautstark verkündet: Aaaaah, schon wieder bin ich mit dem Oberkörper zurückgewichen beim Backhand… kein Wunder dass der Ball zu weit aussen gelandet ist.

Wir können jedoch die „Technik“  bewusst zu Gehen uns zu drehen, insgesamt uns zu Bewegen nur zu einem gewissen Teil erlernen und sollten dies dann getrost wieder unserem Gehirn im Hintergrund überlassen.

Diese einfachen und strukturieren Feldenkraislektionen schärfen meine Achtsamkeit und nicht das kontrollierte Herumsteuern meiner Bewegungen. Die Sensibilität was mit mir in einer Umgebung geschieht erhöht sich. Mein Gehirn ist dazu da, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und eine adäquate Antwort zu geben.

Ich füttere daher mein Gehirn mit mehr sensorischen Informationen, dank einer gewissen „Technik“ namens Feldenkrais-Methode und die Gehirnantwort ist eine Anpassung in einer höchst natürlichen Art und Weise so dass ich die Fähigkeit erhöhe mich eleganter und mit weniger Anstrengung meiner Umwelt anzupassen.

z.B. wieder der Tennisspieler: Auch wenn Roger Federer immer und immer wieder die perfekte Vorhand übt, die gelebte Realität sieht anders aus… der ankommende Ball entscheidet, wie Roger Federers geschulter Körper auf optimale Weise reagiert. Herr Federer wird sich während des Spiels sicherlich eher darauf konzentrieren wie der Ball auf ihn zukommt als auf die detaillierte Steuerung seines Körpers.

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Genau wie beim Kaffeegeruch freue ich mich daher über das Gesamtgefühl, das in mir entsteht, wenn ich mich freier und leichter bewegen kann. Ich erkenne dieses angenehme Gefühl mehr und mehr und es fühlt sich richtig gut an. Vor allem Menschen die mit Schmerzen zu mir kommen, beginnen mit der Zeit wieder auf ihren Körper zu vertrauen. Auch wenn hier zugegebenermassen  am Anfang im Alltag noch etwas vorsichtiger mit den neuen Bewegungen experimentiert werden sollte.

Die Nebenwirkungen solcher besserer Anpassung unserer Körpers könnten übrigens sein, dass wir uns mutiger fühlen neue Herausforderungen anzugehen und etwas zu wagen, was wir bisher für unmöglich hielten…. lassen Sie sich überraschen.